Bildungschancen oder soziale Gerechtigkeit?!

Berlin, 26.06.2014


Am Beispiel des Wohnungsmarktes wird der Unterschied zwischen Chancengleichheit und Gerechtigkeit deutlich: Ich habe die gleichen Chancen mich auf jede freie Wohnung zu bewerben. Es sind aber nicht alle InteressentInnen gleichberechtigt im Rennen, denn es gibt weder für alle Wohnungen, noch verfügen alle über ein solides Auskommen. Wer hat einen Schufa-Eintrag? Wer bezieht ALG 2? Wer kann finanziell potente Bürgen bringen? Wer auf Wohnungssuche war oder ist würde es auch als zynisch empfinden, wenn allen 120 BewerberInnen um eine Wohnung gesagt würde, dass sie alle die gleichen Chancen hätten...

Nein: Gleiche Chancen zu haben bedeutet noch lange keine Gerechtigkeit. Das Schulsystem der BRD ist ständisch und ungerecht. Nach wie vor haben Kinder und Jugendliche aus den unteren sozialen Schichten in viel geringerem Maße die Möglichkeit gesellschaftlich 'aufzusteigen'. Diese Ungerechtigkeit schreit zum Himmel. Um die Empörung in ein ruhigeres Fahrwasser zu lenken wird das Ziel 'Gleiche Chancen in der Bildung' ausgegeben. Aber das ist Augenwischerei.

Gleiche Chancen bedeuten gleiche Möglichkeiten auf einen guten Schulabschluss. Aber schon zur Einschulung bringen Kinder unterschiedliche Voraussetzungen mit. Die finanziellen Bedingungen und die Bildung der Eltern sind mächtige Faktoren in den einzelnen Bildungsverläufen der Kinder und Jugendlichen. Und was sollen gleiche Chancen bedeuten, wenn nicht alle in einer Klasse richtig gut sein dürfen? Ein beachtlicher Teil der Energie wird in Schulen auf die Einteilung in 'Gute' und 'Schlechte' SchülerInnen verschwendet. Klausuren schreiben lassen, korrigieren, Hausaufgabenkontrollen, Tests..., all das dient der Erfassung des Lernstandes. Die wenigste Zeit geht tatsächlich in das Vermitteln von neuen Lerninhalten. Es ist nicht vorgesehen, dass alle SchülerInnen einer Klasse ihre Chance nutzen und erfolgreich sind. Geschieht dies doch, gibt es Ärger... [http://www.spiegel.de/schulspiegel/wissen/strafversetzt-wegen-guter-noten-grundschul-rebellin-erhaelt-courage-preis-a-628411.html]

In dem Wort Bildungsgerechtigkeit steckt der Begriff RECHT. Ein Recht zu haben ist etwas anderes als eine Chance zu bekommen. Bildungsgerechtigkeit würde finanzielle und soziale Unterschiede ausgleichen helfen: Durch die Umverteilung von Geld von 'oben nach unten' (Reichensteuer + Mindestlöhne/Grundeinkommen), durch die Förderung der Eltern und durch ein Umdenken in den Schulen selbst [http://www.gew-online.de/dms_extern/download.php?id=231779]. Durch eine Förderung aller SchülerInnen auch unabhängig vom Elternhaus. Keine zu bezahlende Nachhilfe mehr. Zugang zu allen Hilfsmitteln für alle. Unterstützen, fördern, begleiten. Entkopplung der Schulen von marktwirtschaftlichem Denken. Keine separaten Schulen für Oberschichtskinder. Das wäre ein Anfang...

 

Matthias Hofmann