Krieg oder Frieden?

(von Matthias Hofmann)

 

Manche kämpfen, manche nicht...

1923 besetzte mein Urgroßvater mit Gesinnungsgenossen das Deutschhaus in Mainz. Bewaffnet waren sie mit mehreren Hundert Kämpfern angerückt, um den Anschluss des linken Rheinlandes an Frankreich zu erreichen. Die Bevölkerung der Stadt ignorierte die Separatisten weitgehend, so dass diese nach einigen Wochen unverrichteter Dinge abzogen. Das Vorhaben dieser durchaus fortschrittlich gesinnten Kämpfer scheiterte, weil die Bevölkerung keinen Grund sah, ihre Forderungen zu unterstützen.

Im Jahr 2013 erklärte die Regierung in Kiew für alle Provinzen der Ukraine, dass Ukrainisch die einzige Amtssprache sein solle. Die russischsprachige Bevölkerung fühlte sich ausgegrenzt, gewaltbereite Kräfte sahen ihre Stunde gekommen und probten den Aufstand. Der Bürgerkrieg dauert bis heute an.

Die IRA war in der katholischen Bevölkerung Nordirlands verankert, weil sie etwas Schutz vor den protestantischen Milizen und dem britischen Militär bot. Die strukturelle Benachteiligung der katholischen Bevölkerung bereitete den Boden für eine jahrzehntelange militante Auseinandersetzung.

Wäre es nach dem Zerfall des Osmanischen Reiches wie geplant zur Gründung eines kurdischen Staates gekommen, hätte es den Bürgerkrieg zwischen türkischem Militär und weiten Teilen der kurdischen Bevölkerung wohl nicht gegeben. Und auch nicht die 40.000 Todesopfer.

Warum nehmen die Sorben in der BRD nicht die Waffen in die Hände und kämpfen für einen eigenen Staat? Warum kämpft die dänische Minderheit in Norddeutschland nicht für den Anschluss an Dänemark?


Die Warlords dieser Welt...

Krieg und Bürgerkrieg sind lukrative Geschäftsmodelle. Regierungen, Firmen und andere Kriminelle haben ein gehobenes Interesse daran, dass es immer mal wieder zu mehr oder weniger heftigen kriegerischen Auseinandersetzungen kommt. Basis für Kriegsszenarien wie im heutigen Irak ist die Unzufriedenheit von großen Bevölkerungsgruppen. Wenn die Armut alle betrifft, scheint es durchaus möglich zu sein, nicht übereinander herzufallen. Gerade die ärmsten Länder der Welt nehmen die meisten Flüchtlinge auf. Wenn fast alle Menschen einer Gesellschaft die Wahrnehmung haben, dass es ihnen eigentlich gut gehe, dann gibt es wenig Nährboden für die Anbahnung eines Aufstandes. Die wohlhabenden Länder mit ihren Gesellschaften scheinen relativ stabil zu sein, über die Verhinderung von fluchtbedingter Einwanderung in großer Zahl besteht ein relativer Konsens. Instabil sind Gesellschaften, in denen Wohlstand und / oder Bürgerrechte sehr ungleich verteilt sind und das nicht über staatliche Maßnahmen abgefedert wird. Das können machtstrategische Akteure für sich ausnutzen und die Nachbarn schließlich aufeinander hetzen.


Den Kreislauf durchbrechen...

Bei aller berechtigter Kritik an den Kriegstreibern dieser Welt stellt sich die Frage, wie kann man ihren Handlungsspielraum einschränken? Wie können sich die Menschen dieser Welt ihre Selbstbestimmung wieder zurück holen, um nicht nur zu Figuren in profit- und machtorientierter Tagespolitik zu sein?

Eine Antwort liegt in der französischen Revolution. Die Bürgerrechte sind unverzichtbare Grundlage für ein Zusammenleben, dass friedliche Instrumente zur Überwindung von Konflikten entwickelt. Das Recht auf freie und selbstbestimmte Religionsausübung zum Beispiel, ist die revolutionäre Antwort auf religiös begründete Gewalt. Das Politiker oft andere Interessen verfolgen, als die Menschenrechte konsequent anzuwenden und zu stärken, wissen wir alle. Verabschieden wir uns von der Hoffnung, dass 'die Politik' Auswege aus dem von ihr mitzuverantwortenden Gewaltspiralen findet. Als Bürger sind wir Akteure unseres Zusammenlebens. Wir selbst haben die Verantwortung, 'Minderheiten' genug Raum zum Atmen zu lassen, die Bürgerrechte zu verteidigen und auszubauen. Das gelingt nicht, wenn sich jeder nur für die eigenen Interessen einsetzt, denn das wäre die Fortsetzung der ökonomisch-politischen Machtstrukturen mit anderen Mitteln (Selbstlobbyismus). Gerade die nicht sorbisch sprechenden Menschen müssen sich für den Erhalt der sorbischen Sprache und Kultur einsetzen. Gerade Protestanten sollten sich für eine gesellschaftliche und politische Gleichstellung der katholischen Bevölkerung in Nordirland einsetzen. Wenn nicht nur Kurden für ein Recht auf Selbstbestimmung und einen eigenen Staat eintreten, dann wird aus einem Machtkampf ein Prozess, dann übernehmen wir als soziale Wesen Verantwortung.

 

Berlin/Falkensee 24.April 2015